Quelle: Fränkischer Tag, 2. Juni 2005, Seite 9

Ein historisches Zeichen gesetzt

Neue Synagoge mit Gemeindezentrum an der Willy-Lessing-Straße feierlich eröffnet

Mit der Einweihung der neuen Synagoge an der Willy-Lessing-Straße hat die Israelitische Kultusgemeinde in der tausendjährigen jüdischen Geschichte Bambergs ein neues Kapitel aufgeschlagen.

von Gottfried Pelnasch

Es ist kurz nach 13 Uhr, als eine kleine Prozession die unter einem weißen Baldachin geschützten Thorarollen - die fünf Bücher Mose - durch das historische Portal in die bis auf den letzten Platz gefüllte Synagoge geleitet. Ein Frauenchor stimmt Festliches auf Hebräisch an. Die Feierstunde nähert sich ihrem Höhepunkt: Zwei Rabbiner platzieren das mit unauslöschlicher Tinte geschriebene Wort Gottes weihevoll in dem alles bestimmenden Schrein. Eine neue Ära in der jüdischen Geschichte Bambergs hat begonnen.

Fürwahr ein Ereignis mit Prädikat Seltenheitswert, das sich - in Begleitung eines Großaufgebots von Vertretern des öffentlichen und kirchlichen Lebens, von Medien und Sicherheitskräften - gestern in der ehemaligen Nähseidenfabrik der jüdischen Unternehmer Kupfer, Heßlein & Co. abgespielt hat. Die Eröffnung einer neuen Synagoge ist immer noch eine Ausnahmeerscheinung im jüdisch-christlichen Zusammenleben in Nachkriegsdeutschland - auch wenn sich die Zahl jüdischer Mitbürger hierzulande nach der Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion inzwischen auf mehr als 100 000 erhöht hat, allein 20 000 davon leben in Bayern.

Mit ein Grund, weshalb auch die Räume der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg für ihre von 35 Mitgliedern im Jahr 1989 auf mittlerweile rund 900 Personen angewachsene Gemeinschaft allzu eng geworden waren. Das ist seit Mittwoch Vergangenheit. „Wir freuen uns über eine würdige Heimstätte; das räumliche Provisorium hat ein Ende“, sagte der Erste Vorsitzende Heinrich Olmer. Und: „Wir feiern heute die Eröffnung eines Jahrhundertprojekts für das jüdische Leben in Bamberg.“

Es waren ebenso reichhaltige wie bewegende Worte, die die Bedeutung des gestrigen Tages auch für die Stadt und ihre Region angemessen zum Ausdruck brachten. Freunde der Bamberger jüdischen Gemeinde waren von weit her, zum Teil bis aus Miami angereist, um der Zeremonie beizuwohnen. Unter ihnen - als Vertreter der Bamberger Vorkriegsgemeinde - Dr. Herbert Loebl, Träger der Bürgermedaille der Stadt und einer der noch wenigen lebenden Juden, die den Brand der Bamberger Synagoge in der Terrornacht des 9. November 1938 selbst miterleben mussten.

 

„Auf dass die Geschichte sich nicht wiederhole“

Sichtlich ergriffen bedankte sich Loebl bei allen, die zum Bau der neuen Synagoge beigetragen haben und sprach im Hinblick auf die leidvolle Vergangenheit der vormals bestehenden und immer wieder darniederliegenden Synagogen in Bamberg seine Hoffnung aus, „dass die Geschichte sich nicht wiederholen möge.“

Oberbürgermeister und Kuratoriumsvorsitzender Herbert Lauer sprach von einem historischen Tag, der „ein Zeichen des Vertrauens der jüdischen Gemeinde in eine gute Zukunft und ein Beweis des Willens zu einem guten Miteinander aller in Stadt und Region“ sei. 66 Jahre nach der Zerstörung der prächtigen fünften Synagoge am heutigen Synagogenplatz werde damit auch ein „Zeichen der Versöhnung und Erinnerung“ gesetzt.

Rund drei Millionen Euro hat die im Mai 2003 begonnene Sanierung der jahrzehntelang leer stehenden Nähseidenfabrik gekostet, davon hat die Kultusgemeinde etwa 20 Prozent selbst aufgebracht, die Stadt leistete einen Zuschuss in Höhe von 425 000 Euro, immerhin über 2 Millionen Euro flossen aus diversen Förder- und Spendentöpfen.

„Die Mittel sind gut angelegt“, lobte Bayerns neuer Kultusminister Siegfried Schneider, der forderte, das jüdische Leben künftig noch stärker im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. „Die kraftvolle Ausstrahlung der neuen Synagoge wird zum gegenseitigen Verständnis viel beitragen.“

„Hier geht es ja zu wie in einer Judenschule“, stellte der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Salomon Korn, in Anspielung auf die Geschäftigkeit der Festveranstaltung augenzwinkernd fest. „Und genau das wünsche ich mir, einen lebendigen Ort des Lernens und der Versammlung.“ Nur wer verstehe, so Korn, „dass jüdische Geschichte auch deutsche Geschichte ist“, könne zu einer dauerhaften Freundschaft beitragen.

 

Gegengift gegen Sündenbock-Mentalität

Der Präsident des Landesverbandes des Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, Dr. Josef Schuster, der evangelische Landesbischof Wilfried Beyhl sowie Erzbischof Prof. Dr. Ludwig Schick sprachen ebenfalls kurze Grußworte. Schick nannte das neue Gotteshaus „ein wirksames Gegengift gegen allen Rassenhass und gegen alle Sündenbock-Mentalität“, die das Miteinander in der Vergangenheit zerstört hätten. „Wir glauben an den selben Gott, das verbindet uns.“

Die Festansprache hielt Prof. Dr. Michael Brenner vom Lehrstuhl für jüdische Geschichte und Kultur an der Universität München. Er warf einen Blick auf die reichhaltige Geschichte der Juden in Deutschland, speziell in Bamberg, wo bereits vor dem 1. Kreuzzug im 11. Jahrhundert jüdische Mitbürger sesshaft waren. Noch heute tragen zahlreiche prominente Juden nach [sic!] Nachnamen „Bamberger". Dass sich immer mehr Juden heute zu einer Zukunft in Deutschland bekennen, hält Brenner für einen „Vertrauensbeweis gegenüber einem sich gewandelten Staat.“ Im Gegensatz etwa zum stummen Holocaust-Denkmal in Berlin sei die Synagoge ein Ort gelebten Judentums, der nach außen nicht verschlossen sei, sondern sich offen und gastlich gebe.

Nachdem Rabbiner Jonas Sievers die Weihe mit dem Einzug der Thorarollen vollzogen hatte, überreichte Architekt Jürgen Rebhahn an Heinrich Olmer den symbolischen Schlüssel. Musikalisch umrahmt wurde die Feier von Ya'akov Rubinstein (Violine) und Markos Fregnani (Flöte) von den Bamberger Symphonikern. Die gesanglichen Einlagen übernahm der Synagogenchor der Kultusgemeinde.

 

Diese Seite wurde zuletzt bearbeitet am
26. Juni 2005


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