Quelle: Fränkischer Tag Bamberg, vom 26. Oktober 2001

Begegnungsstätte für alle Bürger

Ehemalige Nähseidenfabrik soll jüdisches Gemeindezentrum werden

Die ehemalige Nähseidenfabrik „Kupfer" in der Willy-Lessing-Straße soll saniert und zu einem jüdischen Gemeindezentrum ausgebaut werden. Entsprechende mit der Stadt abgestimmte Pläne der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) fanden in der Vollsit­zung des Stadtrates am Mittwoch einhellige Zustimmung.

von Rudolf Häußler

Seit den 60-er Jahren unterhält die Kultusgemeinde im Anwesen Willy-Lessing-Straße 7 einen Betsaal und hat dort auch ihre Verwaltung untergebracht. Außer dem Vorderhaus, in dem sich neben Betasaal und Verwaltung noch vermietete Räumlichkeiten befinden, besteht im rückwärtigen Teil des Grundstückes eine ehemalige Nähseidenfabrik, die ebenfalls eng mit der jüdischen Geschichte in Bamberg verbunden ist. Ihr Begründer war Bamberger Jude, der zusammen mit weiteren jüdischen Bürgern den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt Bamberg in ausgehenden 19. Jahrhundert mitbestimmt hat. Die Produktion wurde Ende des 60-er Jahre eingestellt. Seitdem steht das Gebäude leer.

 

Die ehemalige Nähseidenfabrik auf dem Gelände der Israelitischen Kultusgemeinde in der Willy-Lessing-Straße. Nach Sanierung und Umbau dürfte sie das erste neue jüdische Gemeindezentrum nach dem Krieg in Bayern sein.                Ft-Foto: Ronald Rinklef

Explosionsartige Zunahme

Jahrelang war der Betsaal groß genug für die Bamberger Gemeinde. Seit der politischen Wende in Osteuropa ist es jedoch zu einem erheblichen Zuzug von Menschen jüdischen Glaubens gekommen. Dadurch hat sich die Zahl der Gemeindemitglieder vervielfacht. Von Baureferent Ottmar Strauß genannte Zahlen machten die explosionsartige Entwicklung deutlich: „Mitte der 80-er Jahren wurden lediglich 60 Mitglieder gezählt, jetzt sind es über 700." Für die Kultusgemeinde besteht also dringender Handlungsbedarf, adäquate neue Räumlichkeiten zu schaffen.

Nachdem bereits einige Planungen mit dem Ziel, auf dem Gelände eine Synagoge zu errichten, aus verschiedensten Gründen nicht zum Tragen kamen, sieht das jetzige Konzept eine Erhaltung der Nähseidenfabrik und ihre Umnutzung zu einem jüdischen Gemeindezentrum vor. Die er­rechneten Kosten dafür belaufen sich auf 5,3 Millionen DM, eine Summe, die die Kultusgemeinde allein keinesfalls aufbringen kann. Deshalb wird eine größtmögliche Förderung angepeilt. Nach dem jetzigen Stand der Dinge scheint diese weitgehend gesichert. Lediglich die Entscheidung, ob der Bauherr auch mit einer Förderung aus dem Kulturfonds des Freistaates rechnen kann, steht noch aus. Indes stehen hier laut Strauß die Zeichen ebenfalls gut.

Wenngleich der desolate Zustand des Gebäudes keinen Zeitverzug mehr duldet - der­zeit laufen Sicherungsmaßnahmen der Stadt in Höhe von 60000 DM - kann mit

Sanierung und Umbau erst begonnen werden, wenn definitiv die Zusagen der Zuschussgeber vorliegen. Auf Ersuchen des Kultusgemeinde übernimmt die Stadt Bamberg die Bauherrenfunktion, Architekt Jürgen Rebhan, der während der Sitzung die in seinem Büro erarbeitete Planung vorstellte, betreut das Projekt weiter.

Das künftige jüdische Gemeindezentrum, in dessen Mittelpunkt natürlich die Synagoge steht, soll nach der Intension der Kultusgemeinde zu

einem Ort der Begegnung für alle Bamberger werden, d.h. es ist daran gedacht, es auch für allgemeine kulturelle Ereignisse zugänglich zu machen. Ferner, so Strauß, würde es sich als Zeugnis jüdischer Identität besonders dafür eignen, in den Teilen, die nicht unmittelbar für Zwecke der IKG benötigt werden, eine museumspädagogisch betreute Erinnerungsstätte einzurichten.

Wie erwähnt, war die Zustimmung im Plenum einhellig. Stadtrat Sponsel (CSU) begrüßte das Projekt „uneingeschränkt", Stadtrat Starke (SPD) freute sich darüber, dass der Schandfleck im Rückraum der Willy-Lessing-Straße ver­schwindet, Stadträtin Ursula Sowa (GAL) bezeichnete die Planung als eine „rundum gute Lösung" und Stadtrat Witschel von der FDP-BR-ÖDP-Fraktion sprach gar von einem „historischen Moment".

Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Heinrich Olmer, wies darauf hin, dass es sich bei dem Vorhaben seiner Kenntnis nach um das erste jüdische Gemeindezentrum handle, das nach dem Krieg in Bayern entstehe. Die Einrichtung, in der auch an ein pädagogisches Zentrum gegen den Rechtsextremismus gedacht sei, solle keinesfalls ein Getto bilden, sondern einen Ort, der in der Begegnung auch der Religionen Toleranz symbolisiere und schaffe. Zudem weise es auf das jüdische Erbe Bambergs und dessen Bedeutung für die Stadt hin.

 

Diese Seite wurde zuletzt bearbeitet am
27. Dezember 2001


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