Quelle: Fränkischer Tag Bamberg, vom 15.5.2001

Mein Dank für den Hinweis auf diesen Artikel geht an Heinrich Lang aus Bamberg - Vielen Dank für die Mitarbeit

Ziel: Geschichte sichtbar und begreifbar machen 

Aktion dreier Schulen will Erinnerung an jüdische Schülerinnen und Schüler Bambergs wach halten 

"Geschichte kann man nicht sehen, ebensowenig wie man Gras wachsen sieht" behauptete der Schriftsteller Boris Pasternak. Schülerinnen und Schüler der Berufsoberschule, des Franz-Ludwig- und des Eichendorff-Gymnasiums wollen ihn widerlegen: In ihrer Aktion "Erinnerung an jüdische Schüler/innen Bambergs" lassen sie Geschichte seh- und begreifbar werden. Am Samstag lud der Chef des FLG, Oberstudienrat Hans Göldel, im Rahmen dieser Aktion zu einer Diskussion mit dem Schirmherrn des Projekts, Dr. Herbert Loebl, ein, der über seine Erfahrungen als ehemaliger Schüler des Gymnasiums zur Zeit des anbrechenden Nationalsozialismus sprach - eine "Geschichtsstunde der besonderen Art" im Franz-Ludwig- Gymnasium.

Die Idee zu dem Projekt hatte der Sozialarbeiter Wolfgang Budde, angeregt durch eine 1994 von einer Kunststudentin initiierten Aktion in Kassel: Um an die im Nationalsozialismus vertriebenen oder ermordeten Juden zu erinnern, brachte diese in den ehemaligen Wohnstätten Gedenktäfelchen mit den Namen der einstigen Bewohner an. Mit dem Vorschlag ähnliche Gedenkstätten auch in Bamberg zu erschaffen, stieß Budde bei der Oberstudienrätin Ursula Schember, bei dem Lehrsamtsassessor Stephan Link und bei dem Studienrat Jens-Peter Kurzella auf offene Ohren; sie wiederum begeisterten ihre Klassen für das Projekt.Wie für jeden Historiker stand auch für die Bamberger Schüler die Quellenarbeit am Anfang: Seit November 2000 forschen die neunten und elften Klassen des Eichendorff- Gymnasiums, die zwölfte Klasse der Berufsoberschule und der Leistungskurs der zwölften Klasse des Franz-Ludwig-Gymnasium im Stadtarchiv und mit Hilfe der Geschichtswerkstatt nach der Lebensgeschichte und den letzten Wohnorten jüdischer Schüler und Schülerinnen. "Mit regem Interesse", wie Kurzelle betonte, verfolgen sie die Spuren und nehmen mündlich und brieflich Kontakt zu Zeitzeugen, Verwandten und Bekannten, sowie zu den jetzigen Hausbesitzern und -bewohnern auf.

Ziel der Initiatoren ist es, bis zum 9. November 2001, dem Gedenktag der Reichspogromnacht, möglichst viele Schilder an den entsprechenden Häusern anzubringen und die gesammelten Informationen als Projekt-Dokumentation oder Wanderausstellung der Bamberger Öffentlichkeit vorzustellen. Mit Collagen, Frontagen und Gipsmasken begleiten zwei elfte Klassen der Fachoberschule mit ihrer Kunsterzieherin Elke Heppt die Aktion. 

Eine lebende Quelle bot sich den jungen Leuten am Samstag in der Diskussion mit dem Zeitzeugen Dr. Herbert Loebl. 1923 als Sohn eines jüdischen Fabrikanten in Bamberg geboren, besuchte er als Jugendlicher das Franz-Ludwig-Gymnasium, wurde jedoch, wie 14 andere jüdische Mitschüler, im November 1938 von der Schule suspendiert. Er floh noch im selben Jahr nach England, wo er bis heute lebt. Mit Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl brachte Loebl in der von Budde moderierten Diskussion den Schülern die damalige Arbeits- und Lebenssituation sowie den Schulalltag der Bamberger Juden näher und veranschaulichte die wachsende Bedrohung und Ausgrenzung. "Wie sollen Juden und Deutsche heute miteinander umgehen und ist eine Erklärung des Holocausts möglich?" Diese Fragen standen neben den persönlichen Erfahrungen des heute 78-Jährigen im Brennpunkt. Auch er habe sich oft gefragt, wie "das Land von Goethe und Schiller solche Verbrechen begehen konnte", sagte Loebl. Doch Inflation und der verlorene Erste Weltkrieg hätten eine "Suche nach Schuldigen" heraufbeschworen. "Es gibt immer Zeiten, in denen die Menschen Sündenböcke finden," mahnte er und sprach damit die erneut aufkommende rechte Szene in Deutschland an. "Flagge zeigen" und sich gegen solche Tendenzen stellen - dazu forderte er die Schüler auf." Was versprechen sie sich von dem Bamberger Projekt?" wollte eine Schülerin wissen. Loebl antwortete mit Lob für die interschulische Zusammenarbeit und die fundierte Recherche. 

Das wesentliche Ziel ist meiner Ansicht nach schon erreicht: "Die Vergangenheit aufzuarbeiten und nicht zu verdrängen, oder gar zu vergessen." 

Lea Wolz

 

Diese Seite wurde zuletzt bearbeitet am 15. Mai 2001


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