Quelle: Fränkischer Tag Bamberg,  vom 29.8.2001

"An die Leistungen und Leiden
der Lichtenfelser Juden erinnern"

Diskussion um Brunnen-Benennung - Entscheidung im Herbst

LICHTENFELS. Die Juden in Lichtenfels, das waren angesehene Leute - solange, bis die Nazis das kulturfreundliche, von konfessioneller Toleranz geprägte Klima in der Stadt zerstörten. Die Juden in Lichtenfels - wer erinnert heute an ihre Leistungen und an das Leid, das ihnen angetan wurde?

von Ramona Popp

Jetzt steht der Vorschlag zur Diskussion, einen Brunnen nach einer jüdischen Familie zu benennen. Die Idee hatte der Schneyer Ernst Gagel. Als 13-Jähriger hatte er die Reichspogromnacht 1938 miterlebt. Verwüstete Häuser, gedemütigte Menschen. Und es waren Tote zu beklagen. An diese Vergangenheit wird Gagels Meinung nach zu wenig erinnert. "Nie mehr darf so etwas passieren!" Bei seiner langjährigen Tätigkeit als Fremdenführer habe er oft die Empörung der Leute erlebt, wenn sie sahen, dass die Synagoge als Lagerschuppen genutzt wird. Entsprechende Bemühungen in dieser Sache waren letzten Endes immer im Sande verlaufen. "Kein ernster Wille dabei", urteilt Gagel.

"Pauson-Brunnen"?

Nun regte der Schneyer an, den bislang namenlosen Brunnen vor dem einstigen Wohn- und Geschäftshaus Pauson (heute "Pelz-Lieder") nach dieser jüdischen Familie zu benennen, die aus Redwitz stammte und eine Korbhandlung führte. Bei der Israelitischen Kultusgemeinde in Bayern war seine Idee positiv aufgenommen worden. Dies wäre "eine kleine Geste der Wiedergutmachung", hatte ihm der Geschäftsführer schriftlich mitgeteilt. Der Bürgermeister, dem er seinen Vorschlag unterbreitete, habe Bedenken dagegen vorgebracht, nur eine Familie herauszugreifen, sicherte aber eine Diskussion in einem entsprechenden Gremium zu. Wie aus der Stadtverwaltung zu erfahren war, könnte der Stadtgestaltungsausschuss Ende September darüber abstimmen. Mit einer demokratischen Entscheidung werde er zufrieden sein müssen, betont Gagel, der natürlich auf Unterstützung für seinen Vorschlag hofft.

Dass in Lichtenfels in einem höheren Maße als bisher an die Leistungen und Leiden der Juden erinnern wird, ist auch nach Ansicht von Bezirksheimatpfleger Dr. Günter Dippold angezeigt. Allerdings warnt er vor Schnellschüssen, dafür sei das Thema zu sensibel. Auch dürften die Juden in der Diskussion nicht zum Objekt gemacht werden. "Die Familie Pauson gibt es noch!" Ende der 30er Jahre wanderte sie nach England aus. In der Frage, ob ein Brunnen nach ihr benannt wird, müsse sie das letzte Wort haben, findet Dippold. Peter L. Pauson, inzwischen 76 Jahre alt, ist ein bedeutender Chemiker und lebt in Glasgow, wo er an der Universität lehrte.

Viele Gesichtspunkte

In die Diskussion könnten viele Gesichtspunkte eingebracht werden. Einerseits entstand der Brunnen quasi direkt vor dem Haus der Familie Pauson, was natürlich für diesen Namen spricht. Andererseits gab es in Lichtenfels eine Vielzahl jüdischer Familien. Nicht unproblematisch ist die Tatsache, dass der 1993 eingeweihte Brunnen den Namen erst jetzt erhalten soll. In der Zwischenzeit haben die Bürger nämlich so manche eigene Bezeichnung kreiert. Diese Einfälle reichen vom "hohlen Zahn" bis hin zu deftigeren Vergleichen für den etwas zackig herausplätschernden Wasserstrahl. Der Platz wird inzwischen auch gerne zum gemeinsamen Entleeren von Bierdosen genutzt.

Eine sensible Beratung hält Günter Dippold in jedem Fall für äußerst wichtig. Aber noch wichtiger erscheint es ihm, die Synagoge in der Judengasse endlich einer sinnvolleren Nutzung zuzuführen und ihr Umfeld angemessen zu gestalten. Bereits 1994 berichtete der FT über konkrete Pläne hierzu; im selben Jahr sollte die Synagoge ins Eigentum der Stadt übergehen. Heute ist sie noch immer Lagerraum.

 

Diese Seite wurde zuletzt bearbeitet am
16. Dezember 2001


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