Hopfenvillen und Hopfendarren

Die Villa als dominierender Gebäudetyp in der Hainstraße

Die führende Stellung im süddeutschen Hopfenhandel blieb nicht nur auf die wirtschaftliche Bedeutung Bambergs beschränkt, sie manifestierte sich auch in baulicher Form im Haingebiet. Das Haingebiet war von seinem primären Zweck her ein Wohngebiet. Als Gebäudeform dominierte, neben prächtigen Einfamilienhäusern in der Schützenstraße, eindeutig die "Villa". Zur Definition Villa steht in Meyers großem Konversationslexikon (Bd. 20 von 1908, S.164): "Im 19. Jh. hat der Villenbau eine solche Ausdehnung genommen, dass die Vorstädte und Vororte fast aller größeren Städte großenteils aus Villen oder villenartigen Eigenhäusern bestehen, wodurch der Villenbau zu einem besonderen Zweig der modernen Baukunst  geworden ist. Vorgärten, Veranden, offene Balkone, Freitreppen, Erker und dergleichen sind die charakteristischen Eigentümlichkeiten der modernen städtischen Villen."

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Abb. 5

Eidloth zitiert, zwecks einer weitern Klärung des Villenbegriffs, im Folgenden Bentmann/Müller (1979), der mit Villa:"Ursprünglich allgemein ein Wohnhaus auf dem Lande, entstanden im Cinquecento, als Venedig von  der Terraferma Besitz ergriff, ein bis ins 19. Jh. hinein gültiger Villenbegriff, der – ganz in der Tradition der römischen Antike – mit Villa den Landsitz der herrschenden Schichten bzw. das Herrenhaus des Landeigentümers meinte." Als wichtige Kriterien der Villa des 19. Jahrhunderts nennt er die Einzelbauweise, die freie Stellung mit möglichst allseitiger Abgegrenztheit durch Park- oder Gartenanlagen, normalerweise zwei Vollgeschosse mit wenigstens fünf Fensterachsen, eine reiche Fassadendekoration und repräsentative Bauelemente.  Die typische Lage inmitten der Ländereien des Grundbesitzers sieht Eidloth mit der naheliegenden Parkanlage des Theresienhains erfüllt. Nach diesen Kriterien kann man von Villen in der Hain- und Schützenstraße sprechen, obwohl diese nicht auf dem Land, sondern am Stadtrand standen. Sie vereinten das bürgerliche Stadtleben mit dem Charme des Landlebens. Viele der Gebäude wurden spätklassizistisch[13] gestaltet, es ist jedoch nicht möglich von einem einheitlichen Stil zu sprechen. Neben dem Spätklassizismus findet sich auch eine Villa mit Elementen des flämischen Barock, wie sie die Villa Dessauer aufweist. Des Weiteren kann man Dekorationsmotive des fränkischen Rokoko, der Neurenaissance im Stil Louis XIII. und des Maximilianstils antreffen. In der Hainstraße 11 findet man eine romantisierende Burgvilla im Stil der deutschen Renaissance. Ein Haus weiter begegnet man bereits einer neugotisch umgestalteten Villa. Das heutige Staatsarchiv wird von Eidloth als eine "mehrteilige, schlossartige Anlage aus barockisierenden Quadratbauten" identifiziert (S. 80). Es scheint ein buntes Durcheinander der Stilformen vorzuherrschen, welches sich aber zu einem interessanten Ensemble nobler Wohnhäuser gruppiert. Die Baustilvielfalt drückt zugleich den individuellen Repräsentationswillen wie auch eine Form patriotischen "Deutschtums" der Erbauer aus, die für diese Zeit typisch zu sein scheinen.

Die Hopfendarren

Der Bau von noblen Villenvierteln ist, wie aus dem Zitat von Meyers großem Konversationslexikon hervorgeht, keine Besonderheit, diese gab es in anderen Städten wie Frankfurt, Hamburg oder Basel in vergleichbaren Ausführungen. Was das Bamberger Hainviertel mit seiner Bebauung auszeichnet ist das Ensemble der sogenannten Hopfenvillen. Wie erwähnt, traf man in der Hainstraße viele Hopfenhandlungen an. Abgesehen von einigen Ausnahmen, gehörten zu den Wohnhäusern der Hopfenhändler, neben den üblichen Nebengebäuden wie Wagenremisen, Ställen, Bedienstetenunterkünften, Gartenhäuschen und Lauben, vor allem die sogenannten Hopfendarren. Diese waren in Größe und Grundriss den Villen ähnlich gestaltete Lager- und Hopfenveredlungsstätten[14]. Ihr Grundriss war meist rechteckig und dessen Fläche oft der Größe der zugehörigen Villa gleich. Die Fassaden waren anhand streng geordneter Lisenen, Bänder und Fensterreihen repräsentativ gestaltet.

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Abb. 8
Spätklassizistische Hopfenhändler-villa mit dahinterliegender Hopfen-darre, welche  noch die typische Fasadengliederung durch Lisenen und Bänder aufweist. Die ehemalige Firma des Hopfenhändlers Gustav Buxbaum wird heute als Praxis und Wohnhaus genutzt.

Die Hopfendarren waren im Durchschnitt dreigeschossig angelegt und mit einem Satteldach gedeckt. Zahlreiche Öffnungen mit typischen Kniestöcken wiesen auf ihre Funktion als Lager und Trockenraum hin.

Die Entwicklung der Hopfendarren

Das Verfahren, Hopfen haltbar zu machen, war bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts bekannt. Zum Zweck der Haltbarkeit wurde der Hopfen geschwefelt, danach auf Feuer gedörrt, hydraulisch gepresst und luftdicht verschlossen oder in Leinwand gepackt. Zu Beginn  waren sich die Behörden Mittelfrankens über gesundheitliche Gefahren nicht im Klaren und verhängten von 1830 bis 1858 ein Hopfenschwefelverbot. Nachdem die anfänglichen gesundheitlichen Bedenken ausgeräumt waren, bei Herbert Loebl heißt es, dass der Chemiker Justus von Liebig 1862 die Unbedenklichkeit des Verfahrens bescheinigt[15], verbreitete sich dieses Verfahren sehr schnell. 1882 waren im Verzeichnis über Hopfenschwefeldarren 32 Anlagen in Bamberg zu finden, von denen mindestens 13 Schwefeldarren im Haingebiet angesiedelt waren. Im Jahr 1878 erließ der Stadtmagistrat in Bamberg erste Richtlinien für Hopfendarren nach dem Modell eines "Normalplans" aus Nürnberg. Erst sechs Jahre später, am 12. Februar 1884, erließ der Stadtmagistrat Bambergs eine "überarbeitete, endgültige Fassung von Normativ-Bestimmungen für die Anlage von Hopfentrocken- und Hopfenschwefeldarren" (Eidloth S.102).

Als Beispiel sollen einige der Auflagen für das 1884 eingereichte Baugesuch der Schwefeldarre in der Hainstraße 18 genannt werden. Die meisten der 14 Paragraphen umfassenden Normativ-Bestimmungen betrafen Reglementierungen bautechnischer Natur und sollten der Feuersicherheit dienen. Die Bestimmungen sahen zum Beispiel vor, dass die gewölbten Feuerungsräume aus Backsteinen gemauert und der Eingang separat von außerhalb des Gebäudes begehbar angelegt waren. Außerdem mussten die Darren selbst aus feuerfestem Material gefertigt sein, die Fenster durften sich nicht öffnen lassen und alle Türen hatten aus Eisen zu bestehen. Des Weiteren durfte ausschließlich Holzkohle zur Feuerung verwendet werden, die Luftzufuhr war von außerhalb des Gebäudes durch einen gemauerten Schacht anzulegen und der Abstand des Darrbleches zur Herdoberfläche mit den Schwefelpfannen, war auf 5,5 Meter Mindestabstand festgelegt.  Von besonderer Bedeutung waren § 8, der die Höhe der Schornsteine, nämlich 2m über dem First der nächstgelegenen Nachbargebäude, festlegte und § 12, der das Schwefeln bei ungünstiger Witterung vollends verbot. Die Einhaltung der Vorschriften war durch polizeiliche Kontrollen gewährleistet, welche mit dem Abschlussparagraphen festgelegt waren. Mit diesen Beispielen konnte nur ein Ausschnitt aus der Vielzahl der detaillierten Bestimmungen gegeben werden. Diese beeinflussten jedoch Gestalt und Aussehen der Hopfenschwefeldarren.

 


[13] In der Encarta 98 Enzyklopädie von Microsoft steht zum Klassizismus: Im Besonderen bezeichnet der Begriff des Klassizismus eine in Europa und Nordamerika vorherrschende Stilepoche zwischen 1750 und 1830, zu der  und Louis-seize gehören. Ziel dieser Strömung war es, die intime Verspieltheit deso und die Überladenheit des Spät zugunsten einer "klassischen" Formstrenge zu überwinden. Mehr als nur eine Wiederbelebung der Antike, steht dieser Klassizismus im engeren Sinne u. mit den revolutionären Ereignissen in Frankreich  und Nordamerika in Zusammenhang. Er hatte somit auch eine ideologische Funktion, indem er das demokratische Ideal der griechischen Antike, welches man in der antiken Kunst reflektiert sah, zum Ausdruck bringen sollte. Aber auch die absolutistischen Fürsten fanden in der Architektur des Klassizismus eine repräsentative Monumentalität vor.

[14] Mit Hopfenveredlung meine ich an dieser Stelle die Trocknung und Haltbarmachung, sowie die Verpackung für den Transport, des Hopfens

[15] Loebl (1999) S. 296