Die Hopfenindustrie

Auf die Entstehung und Bedeutung des Hopfenhandels für Bamberg bin ich bereits im Kapitel "Das Hainviertel - ..." eingegangen. Deshalb möchte ich hier nur noch ergänzende Aspekte dazu nennen, vor allem aber die Entwicklung zur Hopfenindustrie und deren Verschränkung mit weiteren Industrien und Wirtschaftszweigen skizzieren. Der Hopfenanbau war wie erwähnt die Nachfolgekultur des im 18. Jahrhundert gescheiterten Weinanbaus in Bamberg. Für jeden neu angelegten Hopfengarten wurden damals für fünfzehn Jahre Zehnt- und Steuerfreiheit eingeführt und später ansehnliche Prämien für jede zwölf Zentner auf eigenem Grund geernteten Hopfens gezahlt[1]. Von den im Juni 1813 zugelassenen Juden in Bamberg war kein einziger als Hopfenhändler verzeichnet. Erst 1846 traten die ersten jüdischen Hopfenhändler in Erscheinung. Von 1846 bis zur Aufhebung des Matrikelparagraphen 1861 etablierten sich trotz der schwierigen Gesetzeslage 21 jüdische Hopfenhandelsfirmen in Bamberg. Um 1850 waren es 580 Hektar Hopfenfelder in und um Bamberg und 1870 bereits 254 Tagwerk[2]. Im Jahr 1836 wurde von der königlichen Regierung in Bamberg ein Hopfenmarkt verbrieft. 1862 wurde eine Hopfenmarktordnung erlassen, der zufolge von Oktober bis April jeweils am Dienstag und Donnerstag in der Waaghalle zu Bamberg ein Hopfenmarkt abgehalten werden durfte. Allerdings waren die Erträge des Hopfenanbaus in Bamberg zu gering und so mussten die Händler auf weitere Lieferanten zurückgreifen. Ausserdem kam der Hopfenanbau nach Mißernten 1893, 1901 und 1909 fast völlig zum Erliegen, woraufhin die Bamberger Händler ihren Hopfen vorwiegende aus dem Saazer Gebiet in Böhmen sowie aus dem Elsaß bezogen[3]. Aufgrund ihrer Erfahrungen und Beziehungen vor 1861 hatten jüdische Händler in diesem Berufszweig entscheidende Vorteile. Diese dürften der Grund gewesen sein, weshalb der Hopfenhandel Ende des 19. Jahrhunderts fast ausschließlich in jüdischen Geschäftshänden lag. 1876 waren gemäß einer handschriftlichen Liste 110 Hopfenhandlungen gegründet worden, die meisten von jüdischen Geschäftsleuten. So ist verständlich, dass der Hopfenhandel um 1880 zu den bedeutendsten Gewerbezweigen Bambergs gerechnet werden durfte.

Der Wandel vom regional begrenzten zum weltweiten Hopfenhandel vollzog sich im Rahmen des technologischen Fortschritts, den ich bereits im Hainkapitel erwähnte. Im Zusammenhang mit Exportgeschäften hatten jüdische Händler Nichtjüdischen weitere bedeutende Vorteile. Neben den für Handelsreisende wichtigen Sprachkenntnissen dürften die internationalen Kontakte der jüdischen Händler von immenser Bedeutung gewesen sein. Auf Grund ihrer Stellung als eigentlich "staatenloses" Volk pflegten jüdische Gemeinden seit jeher eine besonder Art der Verbundenheit und der gegenseitigen Untestützung. Jüdische Händler reisten immer von Gemeinde zu Gemeinde, wo sie stets eine sichere Unterkunft fanden. Sie sponnen schon früh ein Netz von Handeslposten in ganz Europa. Dies war eine Strategie, die ihnen damals eine relativ sichere Reise und im ausgehenden 19. Jahrhundert die nötigen Kontakte zu ausländischen Märkten sicherte. Ebenso verhielt es sich mit den Exportbeziehungen in die USA, die zu den wichtigsten Absatzmärkten oberfänkischen Hopfens und sogar von exportiertem Bier zählte. In verschiedenen Fällen nahmen bereits früher ausgewanderte Familienmitglieder den Betrieb der Auslandsfillialen in die Hände. Als Beispiel seien die Bamberger Firmen H.Strauss & Co sowie Moritz Rosenwald genannt, die beide bereits vor 1866 Agenturen in London bzw. New York unterhielten. Andere Hopfenhandlungen errichteten im Osten Niederlassungen. Die Firma Gustav Buxbaum bezog beispielsweise aus dem böhmischen Saaz Teile ihrer Hopfenlieferungen.

Die Bamberger Hopfenindustrie konnte nicht nur als "schätzenswerte Steuerkraft für Stadt und Land" gesehen werden, wie es  in einem Artikel des >> Bamberger Tagblatt <<, geschrieben von Julius Buxbaum, hieß, sondern bot auch die Grundlage für eine Reihe von Sekundärindustrien. Vom Hopfenhandel abhängig entstanden Firmen für den Bau von Verschwefelungsanlagen, von Darren, hydraulischen Pressen, Sack- und Büchsenfüllanlagen. Die Herstellung von Jutesäcken und Hopfenbüchsen boten weiterhin Arbeitsplätze für Bamberger Arbeiter. In einer besonderen Beziehung stand der Hopfenhandel zur Bamberger Mälzerei und den Brauereien, insbesondere zur Hofbräu A.G..

Mit steigender Bierproduktion stieg ebenso der Bedarf an veredeltem Hopfen. Der Bierausstoß stieg in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts um das 20-Fache, während der Verbrauch im eigenen Land nur um das Dreifache anstieg.


[1] Loebl (1999) S. 293 ff.

[2] Tagewerk: auch als Morgen oder Juchart bezeichnetes, altes Flächenmaß; urspr. die von einem Ochsengespann an einem Tag umgepflügte Ackerfläche; zw. 25 u. 36 ar (abgekürzt "a"), wobei 1 a = 100 m² und 100 a = 1 Hektar: aus Bertelsmann Universallexikon 1995 (CD-ROM)

[3] Loebl (1999) S. 301

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